Warum immer ich?
Samstag. Nach einigen wenig erbaulichen Episoden hatte ich mich entschlossen letzten Samstag nicht meinen üblichen Vergnügungen nachzugehen,
sondern ich wollte ein wenig ausgehen. Ich machte mich also – unter Mühen – hübsch. Der Plan sah vor, nächtens noch in die ROFA zu gehen, um zu lustiger Rockmusik die alten und müden Knochen ein wenig zu entstauben. Ich, gutaussehend und voller Tatendrang (Eigenwahrnehmung) begebe mich in Richtung Tanzboden. Die sogenannten unzertrennlichen drei, von denen sich eine wie im letzte Blog berichtet, auf höchst dusselige Weise die Zehe gebrochen hat, sind auch da. Und sie haben Verstärkung mitgebracht.
Das habe ich aber zu Beginn nicht so recht wahr genommen. Nun, nach so grob einer Stunde des wilden rumhopsens zu lustiger Musik kommt der Moment in dem die unvermeidliche Rockbalade gespielt wird. Zeit die Tanzfläche zu verlassen. So wollte es der Kopf, so wollten es die Füße. So wollte es jedoch nicht die Freundin der drei. Ein stählerner Griff umschließt mein zartes Handgelenk, mein Körper wird von dem überraschenden Richtungswechsel herumgerissen.
Nun stellt man sich eine flauschige Tanzeinlage ja doch eher so vor. Also ich. Ich komme aus der Tanzschule und da lernt man zumindest eine Höflichkeitsnummer zu tanzen. TANZEN!
Hier war es ein wenig anders. Ein wenig ganz anders.
Die – nachdem meine Halswirbel sich von der abrupten Belastung halbwegs erholt hatte – freundliche Aufforderung lautete: "Los, Du musst jetzt dran glauben, sonst muss ich mit L. tanzen." Nun ist L. ein zierliches, weibliches 40 Kilo Persönchen. Da konnte ich kaum anders als ritterlich, wenn auch unfreiwillig, in die Bresche springen.
Meine, mich designierende, Tanzpartnerin war ihr von der Höhe durchaus ähnlich. Der wesentliche Unterschied lag eher im Volumen, das sie im Raum einnimmt. Bei anderer Gelegenheit wird hier gerne mal von Bruttoregistertonnen gesprochen. Wer hier sagt pfui das ist gemein, dem sage ich: Ich habe nicht von Massenanziehung, Raumkrümmung oder Schwerkraftverwerfung gesprochen. Das wäre gemein. Und ich hatte sie ja im Arm. Ich konnte problemlos über sie hinwegsehen, das umfassen war mir jedoch nicht vergönnt.
Nun gibt es unter allen peinlichen und entwürdigenden Dingen auf diesem Planeten wenig mehr, als in einer Rockdisco zu einer Engtanznummer gezwungen zu werden. Das kann an sich nur noch von zwei Dingen getoppt werden.
Wenn man zwanzig Minuten später erneut auf die Tanzfläche gezerrt wird, weil der vermutlich von Liebesgram gequälte DJ im Drogenrausch erneut eine Kuschelnummer spielt.
Gut, Anwesende werden nun einwenden Billy Talent ist normalerweise eher kuschelunverdächtig. Ja stimmt. Aber wir reden hier von einem Verdacht.
- "Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt", Thomas Watson im Jahre 1943, damals CEO von IBM.
- "Wer - zum Teufel - will Schauspieler sprechen hören?", so H. M. Warner im Jahr 1927, damals Chef von Warner Brothers.
- Die Erde ist eine Scheibe. Lehrmeinung der Kirche bis 1492
- Billy Talent ist keine Kuschelmusik, Wahrheit bis letzte Woche
Ich muss auch feststellen, ich wurde zu meiner Tanzschulzeit anfang der '90er im letzten Jahrhundert, durchaus auch schon freundlicher zum Tanz gebeten, als mit eisernem Griff und den liebreizenden Worten: „Los zier dich nicht, wenn ich schon mal sturmfrei habe!“
Zack, war ich wieder im Griff der Mördermuschel gefangen und befand mich erneut auf der Tanzfläche. Moment, ich spul noch mal im Text zurück...
Sturmfrei... Schluck... Was? Wie bitte? Hab ich was verpasst?
Ich verspürte einen nicht nur leichten Hauch von Panik. Und habe verzweifelnd hilfesuchend in die Freundesrunde geblickt.
Freundesrunde... Ich armseeliger Träumer. Was für ein Scherz.
Ich bin schließlich dazu übergegangen mit geschlossenen Augen zu tanzen.
Jaaaaahaaaa.
Schaut nicht so. So schlimm untervögelt? Nein, SOOO schlimm ist es noch nicht. Das lag ausschließlich daran, dass die drei oben erwähnten Damen, meine zweite, erzwungene Engtanznummer mit großer und hochgradig ungebührlicher Heiterkeit aufgenommen haben.
Ohne auch nur geringste Anzeichen einer wie auch immer gearteten Hilfe. Und das ist dann, glaube ich, mit das das peinlichste was einem in der Disco passieren kann. Drei feixende Weiber am Rande der Tanzfläche, die sich gebeutelt von schadensfrohem Lachen kaum noch auf den Beinen halten können. Das mag ganz sachte überzeichnet sein, spiegelt jedoch eine gefühlte Wahrheit durchaus zutreffend wieder. Und das wollte ich mir dann doch nicht mit ansehen müssen. Da hab ich lieber die Augen geschlossen. Auch wenn das den „Romantikfaktor“ von außen betrachtet eher noch befeuert haben dürfte.
In der Summe bin ich den Rest des Abends auf der Fluch gewesen und habe mich entschieden früher zu gehen als ich es vor hatte. Der Vorteil des gesetzten Alters wird hier deutlich. Man weiß wann ein geordneter Rückzug erforderlich ist.Was für ein Abend.
Was passiert an der Untermieterfront? Ich bin noch unentschlossen. Noch war nichts dabei was mich zu Jubelorgien veranlasst hätte. Wenn ein fast 40 jähriger homosexueller IT-ler das beste zu sein scheint was ich finden kann, werde ich eventuell noch ein wenig weiter suchen. Aber dazu das nächste Mal sicher mehr. Ich muss ja auch mal was einkaufen. Sonst verhungere ich...