Mittwoch, April 21, 2010

Was für Städte...

Nachdem ich in den letzten Jahren doch sehr viel über Arbeit geschrieben habe und auch weiterhin tun werde, muss ich diesmal - praktisch aus Gründen der Aktualität – ein wenig privates einfließen lassen. Das bietet sich an, da insbesondere das Zusammenlegen von zwei Haushalten und das Zusammenliegen von zwei Menschen immer wieder Potential für kleine, besinnliche Anekdoten bietet.

Ist grade mal zwei Woche her, und ich hab einen neuen Freund gewonnen. Mein Kumpel der Fassadenaufzug. Es ist eine unglaubliche Hilfe wenn man nicht jeden Karton eines Umzugs in den 3ten Stock per Hand bewegen muss. Und wir konnten ihn nutzen, um diverses was ehemalige Mieter auf dem Dachboden „vergessen“ hatten nach unten zu schaffen. Sehr schick.

Es wurden zwar Sachen per Hand bewegt, aber das waren nur wenige. Interessanterweise wurden diese aber nahezu ausschließlich von Frauen hochgetragen. Sprich, die versammelte Männerschar im Hof hat sich im wesentlichen damit beschäftigt Verantwortung zu tragen, den Lift zu befüllen und den Bedienungshebel für den Lift zu bewachen. Gut, das ist natürlich schon eine Aufgabe, die einen ausgewachsenen Helden braucht. So ein Hebelchen ist sicher nix für zarte Frauenhand. Da bietet sich der manuelle Transport eines Bettes in den dritten Stock für die Frauen auch psychologisch an wie ich meine. Sozusagen als Konditionierungsmaßnahme. Feiner Plan den die Herren verfolgt haben. Hat übrigens gut gewirkt die Konditionierung wie im späteren Verlauf des Textes noch zu lesen sein wird.

Lächerliche 40 Kartons scheinen eine überschaubare Menge zu sein. Zumindest wenn man die reine Zahl betrachtet. Hat man diese Kartons in der Wohnung stehen, die ja nicht leer war, ehrlicherweise gesagt sogar weit von diesem Zustand entfernt war, sieht das plötzlich ganz anders aus.

Insbesondere wenn durchaus fragwürdige Gegenstände mit umgezogen werden. Das ist glaube ich oft so, aber ich werde schon stutzig wenn bei jedem Gegenstand, den ich mit großen fragenden Kinderaugen und hochgezogenen Augenbrauen mustere, höre:“ Ja, aber der/die/das ist doch schön...“ Kulleraugen. Ein kleiner blauer Plastiwasserkocher. Das mag erstaunen , aber ich habe durchaus einen und benutze ihn regelmäßig. Eine rote 70er Jahre Lampe. Ein Kronleuchter. Bei dem, wie auch bei vielen anderen neu in die Wohnung gekommenen Dingen, erkennbar wird, dass der Begriff „schön“ durchaus dehnbar und interpretierbar ist. Und der Grenzverlauf zwischen schön, Kitsch und häßlich auch ein fließender ist, der sich schmerzahft durchs Auge des Betrachters bohrt.

Es ist ja nun auch nicht so, dass ich bis dato in meiner Wohnung kein Licht oder Lampen gehabt hätte. Ich will vielen Dingen auch nicht per se Häßlichkeit unterstellen. Nur gebe ich zu bedenken, dass bestimmte Dinge in einen innenarchitektonischen Kontext gesetzt werden müssen, um zu wirken. Aber wer bin ich, dass ich Kulleraugen und der Aussage: „das sei aber doch schön“ widerstehen könnte... Ich bin weich. Sollte irgendjemand bei mir zu Besuch kommen und einen Lachanfall ob der ein oder anderen Lampe oder Möbels bekommen, sei er auf einen langsamen und eher qualvollen Tod hingewiesen, welcher lange Stunden Zwangsbetrachtung von DSDS beinhalten wird. Ich wurde mehrfach von allen Helfern denen hier auch öffentlich Anerkennung und Dank zu Teil werden soll – Anerkennung. Danke. - gefragt ob ich den Sperrmüll (Kronleuchter) auch wegwerfen wolle. Ich musste verneinen was mir sehr seltsame Blicke eingebracht hat. Gelegentlich scheint „Schön“ auch eine Art Meinungsinsel zu sein, die nur von einer Person bewohnt wird...

DSDS ist Folter. Ich weiß wovon ich spreche. Ich bin ein Stück weit genötigt mir das anzusehen. Die Liebste ist Fan. Ich gestehe, dieses Showkonzept ist mir ziemlich zuwider und die Art wie es RTL aufzieht ist ausser durch diverse japanische Exzesse kaum zu unterbieten. Da versucht man beruflich jungen Menschen beizubringen wie Feedback funktioniert und abends erklärt ein Herr Bohlen Leuten medienwirksam, sie sängen wie Kermit der Frosch wenn ihm Miss Piggy auf den Eiern steht. Danke Fernsehen. Danke Dieter.

Was übrigens unglaublich befremdlich ist: Der Kater (Morn) – der sich überraschenderweise noch nicht an irgendetwas vergangen hat – schaut auch DSDS. Der Ruf:“ Morn, DSDS geht los.“ bringt den Kater auf den Plan, der sich entspannt mit auf das Sofa legt. Und zusieht. Ich vermute einfach, die gesangliche Qualität der Möchtegernstars ähnelt den Lauten die rollige Katzen von sich geben. Das verbindet dann wohl.

Nach nicht einmal einer Woche habe ich übrigens schon die magischen Worte: vernommen. „Ich habe gar nix anzuziehen... Ja. Ich weise an dieser Stelle noch mal auf die ca. 40 Umzugskartons hin. Nur so.

Wenn nichts anzuziehen so aussieht und diese Menge an Bekleidung beinhaltet, frage ich mich ernsthaft, wie sieht: „Ich habe hinreichend zum anziehen.“ aus. Eine Scheune nebenan? Umgebaut als geringfügig größerer, begehbarer Kleiderschrank? Ich fürchte in diesem Fall muss ich meine Wohnsituation überdenken.

Sollte ich übrigens ein wenig müde und ausgelaugt wirken oder zu selten bloggen, weise ich auf mein verändertes Zeitbudget hin. Ich wurde die Tage darüber aufgeklärt, dass im ersten Jahr einer Beziehung 2-5 mal Sex am Tag normal wäre. Ja ihr lest richtig. 2-5x. Und die Zeiteinheit sind 24 Stunden! Einige zufälig in der Wohnung anwesende Kaninchen haben erstaunt die Löffel angelegt und sind dann ob ihrer geringen Ausdauer ein wenig vor Scham errötet.

Ich bin ja jetzt bereits ein vergleichsweise alter und relativ verbrauchter Mann, von daher bitte ich alle meine wohlmeinenden Freunde um ein wenig Rücksicht, sollte ich im ersten Jahr der Beziehung zu meiner Liebsten ein wenig fahrig und unkonzentriert wirken.

Ich muss jetzt versuchen zu verhandeln wie das aussieht wenn ich mal eine Woche weg bin. Ob ich das "nacharbeiten" muss. Ob es Tagesmengenrabatt gibt. Und wer meine Stereoanlage bekommt wenn mit der Erschöpfungstod (vlg-> Ermüdungsbruch) dahinrafft.

Ich bin mittlerweile in via Ludwigshafen (eine Woche) in Essen eingelaufen. Wie Essen es geschafft hat noch hässlicher zu sein als schon herrausragend hässliche Ludwigshafen ist mir ein Rätsel, aber Chapeau es ist so. Wie aber konnte Essen aber zur Kulturhauptstadt werden? Bestechung? Gott wirkt noch Wunder? Aber wenn, warum für Essen? Das kann ich nur mit Tradition und einer Verwechslung erklären. Brot brechen hat ja auch mit essen zu tun...

Ich wurde in Empfang genommen von einem grandiosen Hinterausgang am Bahnhof. Den konnte ich nur passieren weil ich in der Grundschule schon sehr streng riechende Toiletten kennengelernt habe. Das gebotene ist als Reminiszenz an lange vergessene Tage zu werten. Alter Schwede, was für ein Duft...

Ich habe dank einer nicht existenten Beschilderung meine Strassenbahn verpasst. Und ich habe die Beschilderung nicht nicht gesehen, da ist einfach keine. Nix, Nada. Nicht mal ein Fitzelchen an Schild. Und wer vermutet die Strassenbahn schon im Keller? Da wo die U-Bahn fährt.

Strassenbahn weg heißt hier am Sonntag 30 Minuten warten. Die nächste ist mir dann auch weg gefahren, weil die Gleisanzeige behautet hat, sie würde erst in 5 Minuten ankommen. Dabei stand sie schon da. Und da man sich hier im garstigen Essen eine seitliche Anbringung der Nummer der jeweiligen Line spart, ist mir das auch nicht aufgefallen. Erst als sie weg fuhr und ich hinten drauf die höhnisch leuchtende die Nummer 105 lesen konnte. Da wusste ich, weitere 30 Minuten im anheimelden U-Bahnhof sind mir gewiss... Nach dieser erneuten halben Stunde im eher kühlen und nicht ganz so anheimelnden U-Bahnhof war ich dann aber schlauer und hab die Bahn bekommen. Musste mich aber vom Hotelier telefonisch wegen meiner Verspätung anrüffeln lassen.

Und durfte mit bildungsferneren Schichten, die es da in der U-Bahn in Massen hatte interessante Gespräche führen. „Sind das ihre Koffer da?“. „Ja.“. „Waren sie im Urlaub?“. „Nein, ich bin zum arbeiten hier.“. „Toll, wo kommense den her?“. „Aus Nürnberg.“ „Oh, schön, das kenn ich! Ist doch bei Freiburg.“ Ich bin etwas erstaunt, aber willig eine kleine Hilfestellung zu geben. Ich konkretisiere die Lage von Nürnberg mit einem für Franken schmerzhaften, „Naja, eher bei München, ganz grob.“ Alle Einheimischen mögen mir das verzeihen. Geografisch ist das natürlich auch sachte bedenklich. Aber in Essen... Die Nürnbergkennerin bleibt aber beharrlich. „Aber Freibug ist doch bei Nürnberg!“ Ich schüttle betrübt mein Haupt. Nein, das sei sogar noch weiter weg von Nbg als Essen. „Ach dann muss ich da was verwechseln.“ Sie wirkt enttäuscht. Aber bevor sie weinen kann fährt ihre U-Bahn ein. Was mich erfreut. Leider habe ich gerade meine Strassenbahn verpasst. Das dämpft die Freude wieder.

Auch beachtlich war mein Versuch Championsleague zu schauen. Ich suche im Netz eine Lokalität mit SKY raus. Fahre hin und stelle nach 7 Miuten Suche zu Fuß fest: Es ist geschlossen. Also gehe ich - schlau wie ich war habe ich eine Ausweichlokalität gleich mit herausgesucht – zur nächsten SKYbar. Dort erfahre ich auf meine Frage, ob das Spiel denn übertragen werden würde, dass man gar keinen Fernseher habe. Finde ich schön, dass man wohl die SKY Werbung aussen hat, sich aber den Fernseher spart. Macht so einen Fussballabend irgendwie beschaulich. Zusätzlich gabs noch einen angetrunken Gast der mich lallend mit drohender Stimme fragte was ich denn hier wolle. Ich horchte in mich und fühlte mich in der Summe unwillkommen und bildtechnisch unterversorgt.

Letzlich habe ich das Spiel in einem sehr rauchigen Wettbüro gesehen, in dem ich von ca 60 Leuten der einzige war der deutsch als Muttersprache angeben kann. Es waren vermutlich mindestens 3 Kontinente und 15 Nationen anwesend. Menschen, die durchaus den Eindruck machten Probleme auch mal selbst mit großen Messern oder Schusswaffen zu lösen. Und gerne arglose Fussballzuseher weiterverkaufen um Wettschulden zu begleichen. Vorzugweise im Bereich Lebend-Organhandel in Länder mit mangelnder ethischer Kompetenz. Das Spiel war also in vielerlei Hinsicht kein reiner Genuss.

Heute bleibe ich in meinem wenig schönen Hotel und blogge. So hat Essen doch noch was gutes.