Mittwoch, Januar 25, 2012

Reisender kommst Du nach China…

Es ist schon wieder eine Weile her, dass ich was geschrieben habe. Als eher lahme Erklärung muss wieder mal die Arbeit herhalten. Ich habe die letzten Monate in einem Ausmaß gearbeitet, dass es meine wüstesten Vorstellungen gesprengt hat. Präziser muss ich eventuell einschränken in der Post-Event-Phase meines Lebens. Obwohl es mich ja gelegentlich noch in den Fingern juckt, sieht man mich kaum noch auf PKW-Events. Damit dachte ich mein Arbeitspensum würde sich wieder normalisieren. Ha! Es ist alles sehr viel schlimmer geworden. Unglaublich. Mittlerweile habe ich eine angehende Sehnenscheidenentzündung im rechten Arm. Ich bitte zu bedenken, dass es sich beim Auslöser keineswegs um Arbeit an mir oder Teilen meiner selbst handelt. Das hätte ich bemerkt wenn ich oder jemand anders an mir gearbeitet hätte.

Ich bin redlich überrascht, dass mir ein derartiges Gesundheitsdesaster wegen zu viel Arbeit widerfährt. Ich denke auch, dass es durchaus, wie oben angedeutet, andere, unterhaltsamere Ursachen geben mag.

Nun bin ich ja ein großer und auch weitgehend vorurteilsfreier Freund aller Menschen und auch mit einem nahezu unerträglichen Ausmaß an Toleranz gesegnet. Aber die Besucher aus dem Reich der Mitte strapazieren derzeit meine Nerven in verblüffendem Ausmaß.

Vorwegnehmen muss man hier, dass viele Vermieter ungern an Asiaten vermieten. Da sind Inder auch mit eingeschlossen. Das hängt in der Regel damit zusammen, dass Menschen von dort weniger lüften und dann nach 2-3 Jahren gerne mal Schimmel in der Wohnung eingezogen ist und sich dort auch wohlfühlt und ungern wieder auszieht. Wohnungen riechen aufgrund mangelnder Lüftung auch sehr intensiv nach Curry, und weisen oftmals darüber hinaus im Bereich Reinheit gewisse Defizite auf, die eigentlich eine Kernsanierung nahelegen. Wenn man das als Vermieter dann 2-3 mal hatte, greift man zu dem unfairen, aber psychologisch nachvollziehbaren Mittel der Sippenhaft. Dann vermietet man eben nicht mehr an Asiaten.

Mein Klient aus China. Nun muss man vorwegnehmen, dass China groß ist, und in Teilen auch noch sehr bäuerlich und wenig technisch geprägt ist. Man soll mir ja nicht vorwerfen, ich würde über unschuldige Menschen herziehen. ICH! Also bitte. Nun kommt mein Klient allerdings nicht aus einer dieser abgelegenen Gegenden Richtung Mongolei, sondern aus Peking. Grobe 11 Millionen Menschen auf einem Haufen. Das ist dann nicht mehr so ganz dörflich mit Ackerbau und Viehzucht. Der Herr ist übrigens Ingenieur. Nur mal so als Hintergrund, um euch ein wenig einzustimmen. Spricht übrigens auch ein akzeptables Englisch.

Also jener Herr steht mit mir in seiner neuen möblierten Wohnung. Wir unterhalten uns noch so ein wenig. Dann steht er unvermittelt auf geht zur Kaffemaschine und fragt mich wie die denn funktionieren würde. Nein, kein Saeco Vollautomat oder so was. Eine ganz ordinäre, schwarze Filterkaffeemaschine. Ich atme durch. Tief. Das „bist Du eigentlich bekloppt“ auf der Zunge, bleibe ich freundlich und erkläre eine Kaffeemaschine. Weil ich ein Netter bin! Wir gehen weiter zu einer ausführlichen Erklärung des Herdes und es schließt sich eine sehr ausführliche, mit regen Nachfragen unterbrochene, Erklärung der Waschmaschine an. Ich vermute, der Herr hat eine sehr fürsorgliche Frau zu Hause. Was dem Fass allerdings den Boden ausschlägt war die Frage im Flur. Deutet der Weltmann vor dem Herrn doch auf die drei dort befindlichen Garderobenhaken und fragt mich allen Ernstes was das denn sein soll. Garderobenhaken. Jetzt erzähl mir aber keiner, dass es die in China nicht gibt. Da bin ich dann doch, trotz weitgehend flüssigem Englisch ein wenig ins Stocken geraten. Vor Erstaunen.

Von einem Inder wurde mir übrigens erklärt, dass die Sache mit der Kaffemaschine nicht erstaunlich sei. Die gibt’s in China wirklich kaum. Garderoben aber schon. Behaupte ich.

Aber dieser spezielle Herr ist mittlerweile schon wieder zu hause. An Nervensägen-Nachschub mangelt auch nach seinem Weggang jedoch kein bisschen.

Meine aktuelle Chinesin ist so ein Fall. Das Drama spielt in Erlangen, der Stadt der hohen Mietpreise (Dank Siemens, Areva, Puma, Adidas und Horden von Studenten). Der geneigte Leser mag bei seiner Beurteilung der Sachlage noch hinzuaddieren, dass die Studentenzahl dieses Jahr doppelt so hoch ist wie üblich und die Bundeswehr auch noch ausgesetzt wurde. Nur mal so als Hintergrundinfo zur Mietsituation.

Mein Lamento deckt einen Zeitraum von ca 6 Wochen ab.

Woche eins: Ich soll nach einer Wohnung für 500€ kalt suchen. Bis 30 Minuten Arbeitsweg sind ok. Ne Woche später suche ich nach einer Wohnung für 450 warm. Zusätzlich muss sie in 2 Kilometern Umkreis um die Arbeit sein. Dann soll ich drei Zimmer suchen für sie und einen Kollegen. Ich erkläre ihr, dass es keine 3 Zimmer Wohnungen bis 600 Euro gibt. Sie erklärt mir, doch ihre Kollegen hätten gesagt da gäbe es viele.

An dieser Stelle ist es notwendig einen kleinen redaktionellen Einschub zu präsentieren.

Der „aber meine Kollegen haben gesagt“ Einschub.

„Meine Kollegen haben gesagt“ ist das Stichwort bei dem ich mich mental in eine skurrile Mischung aus Hulk und dem Killerclown John Wayne Gacy verwandle. Aussehen wie Hulk, freundliche Absichten wie Gacy. Diese Kollegen. Diese immer alles besser wissenden Kollegen. Die können alle gerne meinen Job machen. Die wissen ja eh immer wie es geht. Klar gibts Wohnungen wie Sand am Meer. In Mecklenburg-Vorpommern. Was glauben die eigentlich. Da haben sie vor 6 Jahren mal ne Wohnung in Erlangen gesucht und schon wissen sie alles über die aktuelle Mietsituation. Genau.

Ich online gegangen und habe ihr gesagt, dass es aktuell 4 Wohnungen gibt. Zwei davon von einem Vermieter, der nur an deutschsprachige Mieter (sprich keine Asiaten) vermietet. Eine nicht rechtzeitig verfügbar und die andere schon weg, nur noch nicht aus dem Netz genommen. Sie: „Aber es gibt total viele Wohnungen sagen die Kollegen.“ Ich: „Nein gibt es nicht. Ich bin online und habe die Seite offen.“ Wir streiten ein wenig…

Die Kollegen haben also geheimes Insiderwissen das weit über die Fähigkeiten der normalen Immobilienbörsen hinausgeht. Respekt. Die könnten als Makler zu sehr viel Geld kommen. Warum arbeiten die noch als Sachbearbeiter bei einer großen Firma, wenn als Makler Millionen winken? Die machen was falsch.

Dann will sie mit bei einem Kollegen zur Untermiete einziehen. Ich soll aufhören zu suchen. Eine Woche später soll ich weitersuchen. 3 Zimmer. Zwei Tage später wieder nur ein Zimmer für warm 400€. Nicht weiter als 2 km von der Arbeit. Ich bin für ein Einreiseverbot von Chinesen. Deutlich.

Sie schickt mir dann einen Link für eine Wohnung. Die wäre toll. Direkt beim Kaufland hat ihr der scheidende Mieter (Kollege und Chinese) gesagt. Das trifft sich. Denn das Kaufland ist ja gegenüber von der Arbeit. Fahre hin, sie abzuholen für die Besichtigung. Sie sitzt hocherfreut im Auto, eine tolle Wohnung sehen zu dürfen. Kaufland recht von uns. In Sichtweite. Ich biege links ab. Sie stutzt. Ich erwähne in der mir eigenen Freundlichkeit, dass der Kollege schon recht hat mit dem Kaufland. Es gibt da in Erlangen aber mehr als eins. Und die Wohnung in der er wohnt ist dann doch eher so 8km von der Arbeit. Das andere Kaufland halt. Aber die Kollegen wussten das doch sicher… Ihr Unterkiefer touchiert sachte den Sitz. Habe ich Schadenfreude empfunden oder Genugtuung? Nein natürlich nicht. Und wenn nur ein ganz klein wenig.

Letzte Woche habe ich eine Wohnung gefunden. Die passt. Ein ziemliches Loch und natürlich auch weit weg, aber billig. Dann der Mietvertrag. Wir treffen uns damit ich den erklären kann. Habe ihr vorab schon mal eine Übersetzung geschickt. Sie ist aufgebracht. Sie fühle sich wegen des Vertrages diskriminiert. Da steht drin, dass sie drei mal täglich zu lüften hat. Das stünde da nur weil sie Asiatin sei. Ich erkläre ihr, dass es sich um den Standard Mietvertrag des Haus und Grundbesitzervereins handelt. Sie glaubt mir nicht. Ich sei nicht auf ihrer Seite. Ihre Kollegen hätten gesagt solche Sachen wären in Verträgen total unüblich.

Hatte ich zu dem Thema Kollegen eigentlich schon was gesagt? Wenn man eventuell mal einen dieser Kollegen ganz exemplarisch auf sehr grausame Art und Weise tötet und dann vor dem Eingang pfählt… Hmmmm…. Ich hege die Hoffnung, dass dies, sozusagen als vertrauensbildende Maßnahme, die Einmischung dieser mentalen Fadenwürmer mit Ganglien aus Hasenkot unterbinden könnte. Dieser Vorgang hat mich übrigens schlanke 4 Stunden gekostet. Neuen Mietvertrag gekauft, (da steht dann „ausreichend lüften“ – sprich 3xtäglich - drin) unterschreiben lassen, noch mal erklären.

Heute dann die Mail, dass ein Kollege ihr erklärt hätte, dass sie die Maklergebühren nicht zahlen müsste, weil wir das bezahlen und dann an Ihre Firma weiterberechnen. Kompletter Humbug. Natürlich zahlt ihre Firma die Maklergebühren Normalerweise gegen Rechnung vom Makler. Gelegentlich wollen Makler (die die Zahlungsmoral großer Firmen kennen und 3 Monate Wartezeit nicht immer zu schätzen wissen) ihre Provision bar. Dann muss man das als Delegate einfach vorstrecken und bekommt das Geld dann erstattet.

Ich antworte, dass ich doch gerne den Namen der Person hätte, die so einen Unsinn erzählt, um ihr das persönlich erklären zu können. Sie leitet eine Mail weiter, in der steht “Usually the relocation company forwards the Broker bill direct to us“. Daraus wird dann in der Mail an mich „usually should the relocation service pay the broker fee”. Jetzt mal ernsthaft. Das ist doch ein Witz. Jemand der nicht in der Lage ist einen eher überschaubar schwierigen Sachverhalt richtig wiederzugeben, den brauch ich doch nicht für teuer Geld aus China kommen zu lassen. Da kann ich auch in den Zoo gehen und mir einen Lemuren borgen. Der ist schlauer. Und selbst bei sehr ausgewählter Fütterung deutlich billiger.

Nun könnte man meinen, dass es nur unter den aus dem Ausland, und da bevorzugt aus dem weit entfernten Ausland so Gestalten gibt. Aber da werfe ich ein: „Weit gefehlt!“ durch die Gegend. Komme ich letzthin zu einer Wohnungsübergabe. Also die Situation wenn man durch die Wohnung geht, sich vom ordnungsgemäßen Zustand der Wohnung überzeugt und dann den Mietvertrag unterzeichnet. Ganz simpel möchte man meinen. Ein wenig kompliziert wird es, wenn man vor der Vermieterin steht, und gerne mal den Mietvertrag eingesehen hätte. Die Augen der Dame werden größer und sie meint. Ja, einen Mietvertrag hätte sie jetzt gar nicht dabei. Das führt zu einem Wandern der „großen Augen“. Von Ihr zu mir. Ich war dran mit großen Augen. „Wie sie haben keinen Mietvertrag?“, war so als Frage noch das freundlichste was mir spontan in den Sinn kam. Und das war angesichts der gähnenden Leere in meinem Kopf eine sehr ehrenwerte Leistung. Ja, das letze Mal hätte Frau L. (eine Kollegin) den Mietvertrag mitgebracht. Ich entgegne schwach, dass erstens meine Kollegin ebenso wie ich ja überhaupt keinen Plan hätten, was für einen Mietvertrag sie haben wolle, und der Mietvertrag ja mal ganz genuin Ihre Aufgabe wäre, als Vermieterin. Sie zuckt mit den Achseln und wiederholt, dass der MV letztes Mal von der Kollegin gekommen wäre. Und das wäre auch ein toller Service gewesen. Das war der Moment in dem ich sehr dankbar für die Existenz meines Sehnervs war. Sonst hätten sich meine Augen vermutlich lockere 180° - 360° Grad gedreht.

Somit dackelt der arme Colsultant – ich- in den nächsten Schreibwarenladen, kauft von seinem Geld (!) einen Mietvertrag und füllt ihn selber aus. Das ist Hingabe. Da fällt mir nix mehr ein.

Mehr kann ich jetzt nicht schreiben, sonst bin ich wieder so aufgewühlt und kann nicht schlafen. Und ich brauch meinen Schönheitsschlaf... Dringend!