Montag, Oktober 04, 2010

Böse diffamiert nennt man das.

Beziehungen bieten ja dann doch immer wieder überraschende Momente, in denen relativ unterschiedliche Menschen aufeinander prallen. Das passiert unter anderem gerne mal im Bett. Und hierbei muss noch nicht mal Erotik im Spiel sein. Kann schon, muss aber nicht.

Ich will mal ein Beispiel geben. Es gibt eine Person im Haushalt, die mit einer erschütternden Regelmäßigkeit Bettdecken an sich rafft. Mit der Bemerkung es sei ihr kalt. Auch wenn das Thermometer 21.3 ° Raumthemperatur anzeigt. Diese Person bin übrigens nicht ich. Nicht, dass mir nicht auch gelegentlich kühl wäre, aber das passiert vorzugsweise dann, wenn mir die Bettdecke abhanden gekommen wurde. Die entwendende Person hat zu diesem Zeitpunkt im Regelfall zwei Decken, zwei Wärmflaschen plus eine wärmende Katze in Beschlag. Ich habe nichts.

Das mag nun kein Problem darstellen, wenn man gleichzeitig ins Bett geht. Man kuschelt sich an die Bettdeckeenbesitzerin und wenn man die andere Person lang genug äh, also... naja, überredet hat, bekommt man schon etwas Bettdecke. Sobald die Zeit aber so differiert, dass die andere Person schon schläft wird die Sache problematisch.

Ich habe kürzlich mir erlaubt mein ebenfalls okkupiertes Kissen, das wohlgemerkt allenfalls zu einem geringen einstelligen Prozentbereich unter dem Kopf, ansonsten eher in besitzergreifender Geste umschlungen war, an mich zu nehmen. Das führte dazu, dass ich mir tagelang anhören konnte was für ein mieser Frauenquäler (ungeachtet des, der Aussage innewohnenden, generellen Wahrheitsgehaltes) ich sei, wo doch der Kopf der anderen Person mit annähernder Schallgeschwindigkeit auf die Matratze geknallt wäre. Ja, auf die Matratze! Und nein, ich habe keine Marmormatratze. Es hätte nur wenig gefehlt und die andere Person wäre mit einer Halskrause durch die Wohnung geschwankt. So ein Schwein bin ich.

Im Gegenzug leide vielmehr ich an einem Trauma. Ich bin so weit, dass ich mir meine Decke nicht wieder nehme, sondern sie einfach dort belasse wo sie ist. Ich hole mir dann aus dem Wohnzimmer eine dünne Decke wickle mich traurig darin ein und hoffe, dass mir nachts nicht kühl wird.

Ihr seht also, ich befinde mich in einer nahezu verzweifelten Lose-Lose Situation. Keine Aussicht auf eine Decke oder die Herausgabe selbiger. Diese hoch verzweifelte Situation hat dazu geführt, dass ich kürzlich im Schrank einem meiner zwei Pyjamas gegriffen habe. Als reine Vorsichtsmaßnahme, um einer drohenden Lungenentzündung vorzubeugen.

Ich muss an dieser Stelle fairerweise gestehen, dass der eine von beiden ein sehr, sehr alter, babyblauer Frotteeschlafanzug ist. Den trage ich aber ausschließlich wenn ich ernsthaft krank bin und mich so scheiße fühle, dass ich dem inneren Krankheitsbild auch durch eine entsprechend verheerende Optik Ausdruck verleihen will.

Ich lehne mich mal aus dem fahrenden Zugfenster und behaupte derartige Kleidungsstücke hat jeder. Beim einen ist es das 30 Jahre alte T-Shirt des Grauens, bei anderen die Unterhose für die ganz, ganz schlechten Tage. Ich habe so einen Pyjama. Den ich nicht getragen habe. Ich habe meinen einzigen anderen angezogen.

Mal abgesehen davon, dass am Oberteil Loriot-Figuren (ein großartiger Künstler!) aufgedruckt sind und er über einen wenig modernen Schnitt verfügt, ist es ein ganz normales – wie die meisten Pyjamas – unerotisches Stück Wäsche. Es sollte mich ja auch nur warm halten.

Was dann passiert ist, muss man als den größten unbeabsichtigten Heiterkeitserfolg einer neun monatigen Beziehung werten. Dieser Schlafanzug hat einen Lachkrampf hervorgerufen. Nun bin ich kein Feind von Heiterkeit im Bett. Sachen, die Spaß machen können gelegentlich auch mal ins alberne abdriften, das kennt der geneigte Leser sicherlich. Aber dass ein Schlafanzug bei der Bettdeckendiebin, die noch dazu über eine sehr große Menge höchst fragwürdiger Bekleidungsstücke verfügt, einen kaum endend wollenden Lachanfall hervorruft, ist schon ein wenig befremdlich. Fast schon unheimlich.

Ich möchte ein weiteres Beispiel liefern, das dazu geeignet sein sollte, nicht Heiterkeit sondern anhaltendes Mitgefühl bei der Leserschaft hervorzurufen.

Ich komme kürzlich heim und die Person sitzt mit meiner Untermieterin auf der Couch. Nichts ungewöhnliches, Nein, sogar so gewöhnlich, dass alles andere ungewöhnlich gewesen wäre. Beide haben Rechner auf sich stehen, der Fernseher läuft... Eine Szene der Normalität. Sie unterhalten sich über "Prinzessin Sophia". Ich, neu hinzugekommen, vermute ein Frauengespräch auf „goldenen Blatt“ Niveau, klappe auch meinen Rechner auf und verfolge die Unterhaltung im Bereich zwischen gar nicht und mit einem viertel Ohr.

Irgendwann fällt mir auf, dass wann immer der Begriff "Prinzessin Sophia" fällt, mit einer mädchenmäßigen Heiterkeit in meine Richtung gegiggelt wird. Ich bin irritiert und wende meine Aufmerksamkeit von der Zeit Online wieder mehr dem Gespräch zu. Break. Rückblende.

Drei Wochen vorher war ich morgens in der Küche gestanden und habe mir vor der Morgentoilette noch mein Teewasser in den Kocher gepackt. Und ja, ich war nackt. Morgens, um 10 Uhr sind im Regelfall alle Mitbewohner, so sie überhaupt da sind, in der Arbeit. Ich stehe also im Adamskostüm in der Küche und will gerade in Richtung Bad gehen, als U. meine Untermieterin ihr unglücklicherweise an die Küche angrenzendes Zimmer verlässt. Teufel auch! Am Vorabend war sie nicht da... Naja. Viele unter den Lesern waren ja dann doch schon mit mir in der Sauna und ich bin auch nicht übertrieben prüde.

Ich habe das getan was man in so einer Situation macht.

Ich habe mich breitbeinig hingestellt, mit den Zeigefingern nach unten gedeutet und mit breitem Grinsen gefragt „Who's your Daddy?“

Nein, nicht ganz. Ich habe ein überraschtes „Huch“ ausgestoßen, etwas hektisch mit den Ärmchen gefuchtelt und mich abgewendet. Man will ja als Vermieter auch nicht dass die Mitbewohnerin einen erotischen Flash bekommt und gleich in der Küche über einen her fällt. OK es soll Vermieter geben, die würden das billigend in Kauf nehmen, Ich eventuell auch, aber nicht in diesem Fall. Immerhin habe ich eine Freundin und benötige hier all meine Kraft. Da habe ich keine Reserven für so was. Dieser Vorgang, der einen Blickkontakt mit meiner unverhüllten Person im Zehntelsekunden Bereich zur Folge hatte, war mir, meinem Alter und der Wichtigkeit des Ereignisses entsprechend, schon wieder entfallen. Schnitt.

Die zwei Grazien auf der Couch. Die beiden unterhalten sich doch in der Tat über exakt diesem Moment und dann habe ich auch realisiert, dass Prinzessin Sophia keineswegs eine zu beglückende Königstochter ist, sondern es sich um das Werkzeug zum beglücken selbiger handelt.

Und jetzt mal gaaanz ernsthaft, Freunde des Heimwerkens: Wie würdet ihr euch fühlen wenn sich eure Lebensgefährtin mit eurer (hypothetischen) Untermieterin über euren Signalmasten unterhalten und ihn als Prinzessin XY bezeichnen?

Das sind doch Dinge, die tut man nicht. Dinge, die man nicht guten Gewissens erzählen kann. Also Dinge, die man am Besten in einem tiefen dunklen Keller vergräbt. Dinge, die einen Mann zutiefst geknickt und depressiv zurück lassen. Aus einem Mann in der Blüte seines Lebens, ein Wrack machen. Gut, dass ich das keinem erzählt habe.

Ich geh jetzt meine Tabletten nehmen. Und in die Sauna.